Um es vorweg zu nehmen - wir waren die beste Kutter-Crew zur Regatta, aber nun im einzelnen. Am 02.06.2018 sollte unser großer Tag werden, sechs, eigentlich sieben Leute hatten sich zur Regatta angemeldet: Susi (mittlerweile unsere Kameramännin), Mario, Hella, Peter, Norbert, Hartmut als Eventual-Mitsegler und ich.
Wir trafen uns schon vor 9:30 Uhr am Hafen, Kutter aufklaren und übersetzen zur Seebrücke waren schnell erledigt. Ich hatte etwas auf die Zeit gedrückt, denn in logistischer Meisterleistung war die Anmeldung zur Regatta nur zwischen 9.00 Uhr und 10.00 Uhr im Segelclub (aber jegliche Fernanmeldung per email, WhatsApp, Brief, Telefon, Flaschenpost ... nicht) möglich, die Steuerleutebesprechung jedoch erst für 10:30 Uhr angesetzt. Folglich bin ich mit Norberts Nicht-eBike zum Seglerclub gedüst, ohne zu wissen, wie unser Kutter derzeit heißt noch was in den Segeln steht.
Es wäre uns fast wie mit den Finanzamts-ElsterFormularen ergangen: Erst wenn alle Spalten gefüllt sind, kann man den Vorgang abschließen. Glücklicherweise ist von den verbliebenen Mitseglern wenigstens eine (Susi) ans Handy gegangen, so dass die Meldung abgeschlossen werden konnte (zur Info: OSL-1357 am Kutter und K153 im Segel).
Zurück zum Stadthafen haben wir den Kutter komplett vorbereitet, anhand der Checkliste auch die Regatta-Ausrüstung geprüft. Kurz vor 10:00 Uhr habe ich unseren Eventual-Segler Hartmut informiert, dass ob des auffrischenden Windes (bei glücklicherweise wenig Sonne) ein siebenter potentieller Regatta-Gewinner sehr willkommen wäre. Kurz danach bin ich wieder gen Segelclub geradelt, während andere sich zu nautischen und taktischen Fragen und Feinheiten konsultierten oder noch wichtigere körperbezogene Dinge stemmen mussten. Am Segelclub wurde kurz nach 10.30Uhr zu Papa, Oscar und Yankee informiert und der Kurs besprochen, Steuerbordrunden der drei Tonnen mit Ziel am WSZ (was für mich noch neu war). 22 Boote in zwei Klassen, Offene Klasse Vorstart 11:25 Uhr, Start 11:30 Uhr und sieben Essenmarken – nützlich, falls wir je das Ziel erreichen sollten.
Die Uhrzeiten waren insofern sportlich, als dass ich erstmal wieder zum Stadthafen zurückmusste, Leute einsammeln und alle informieren. 11:10 Uhr: Boot war klar, aber kein Hartmut nicht in Sichtweite. Falls wir die Startlinie einigermaßen pünktlich erreichen wollten, mussten wir los - sorry Hartmut!
Ablegen, Segel setzen und gen Niemtsch fahren. Glücklicherweise Wind, ca. 3 Bft. Auf halben Weg löste sich am Damensegel (Sorry: Besan!) die Reileine, kann Profis schon mal (vor der Wettfahrt passieren) - natürlich umgehend professionell behoben. Die Zeit verstrich schnell, wo war die Startlinie? Vereintes Suchen ließ uns ein Motorböötchen und ein Tönnchen als Startlinie ausmachen. Bevorteilte Seite - zu ergründen keine Chance, denn Papa fiel gerade, d.h. noch eine Minute bis zum Start, gerade so viel Zeit, um sich noch etwas in Position zu bringen und dann einen einigermaßen pünktlichen fliegenden Start zu produzieren. Kreuz zur Tonne 4 (?), leider ein Schlag mehr notwendig als beabsichtigt, aber nach der Wende driftet man erstmal ab und die Winddrehung war uns nicht immer wohlgesonnen. Nach der Tonne, wir hatten westlichen Wind, konnte das Spinnaker-Team Hella und Norbert zügig den (kleinen) Spinnaker setzen und wir fuhren einen langen Schlag Richtung Koschen.
Der achterliche Wind trieb uns gut voran, allerdings waren vom OK-Feld in unserer Nähe nur noch zwei größere Segler übrig geblieben. Bis weit hinter Buchwalde konnten wir diesen Schlag mit Spinnaker fahren, ehe wir zu dicht in Ufernähe kamen, den Spinnaker einholten und mit leichtem Anluven den Kurs zur nächsten Tonne (1) vor dem Koschener Strandbereich anlegten. Die Tonne 2 kam kurz danach in Richtung WSZ und die Ziellinie war dann erst mit einigen Kreuzschlägen nach einem harten aber klar entschiedenen Kampf der letzten drei Boote zu erreichen. Wir waren nicht letzter, haben uns wacker geschlagen und als schnellste Kutter-Crew im Ziel. Anlegen, professionell wie immer :-).
Dann die verdiente Belohnung - Einlösen der Wertgutscheine in eine Grillwurst (nicht-vegan!) und ein Getränk der Wahl. Bänke waren gleich unten am Wasser aufgestellt, die Ixylon-Segler dort waren schon recht lustig und wohl bereits wieder hungrig, nun ja, waren halt etwas eher eingetroffen. Bestes Wetter, gute Stimmung, nur die Auswertung durch die Wettkampfleitung brauchte seine Zeit. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber aus heutiger Betrachtung denke ich, dass das folgende Geschehen als kulturelle Einlage seitens der Wettkampfleitung zur Überbrückung der noch dauernden Auswertung organisiert worden war. Zuerst kamen nacheinander zwei sächsische Autos mit Trailer und Motorboot drauf ans Wasser gefahren. Wie Sachsen nun mal sind: Ran ans Wasser, Boot runter, Auto wegfahren, Boot wegfahren, zack und schon alles schön schick!
Dann kam ein größerer Wagen (SFB-Kennzeichen) mit Trailer und größerem Motor-Boot. Es brauchte schon mal einige Zeit, um in gerader Linie den Trailer zwischen Wasser und PKW zu bringen. Zu diesem Zweck hüpfte die schwarz gekleidete (vermutliche) Gattin des PKW- und zukünftigen BootFahrers dicht hinter dem Bootsheck rum, also für ihn eher unsichtbar, und gab allen unverständliche Zeichen. Ich dachte noch, schwarzes Kleid passt, falls der Gatte versehentlich mal die Kupplung schnipsen lässt, würde sich die Zahl der deutschen Witwer umgehend erhöhen und die Anzugsordnung wäre schon mal angemessen. Keine Sorge - ist nicht passiert. Der Gatte schob also per PKW den Trailer immer weiter ins Wasser und die Gattin hüpfte weiterhin gut vom Heck verdeckt im immer tiefer werdenden Wasser umher. Nachdem ihr Kleid schon mindestens zu einem Drittel durchnässt war, legte sie es ab (zum Vorschein kamen Bikini oder Dessous - bin nicht ganz sicher, jedenfalls kein optischer Gewinn) auf dem teuren Lederautositz! Dann folgte wiederholt folgendes Prozedere: Trailer weiter ins Wasser schieben, Gatte aus dem Auto steigen, am Boot wackeln, Bootsmotor starten und die Schiffsschraube ein wenig im Rückwärtsgang das Wasser umrühren lassen, wieder ins Auto steigen etc. Die Segler am Ufer folgten gespannt dem Geschehen, Wetten wurden wohl keine abgeschlossen. Das ging so einige Male bis auch der Gatte hälftig durchnässt war – und dann geschah es: Das Boot löste sich mit Motorkraft vom Trailer gen Fahrrinne – die Segler jubelten, beinahe standing ovations und alle waren glücklich! Das Folgende war dann unbedeutend. Bei ähnlicher Kultureinlage bin ich zur nächsten Traditionsregatta sicher wieder dabei. Kurze Zeit später gab es die Siegerehrung, wenn wir mal drei Kutter an den Start brächten, würden unser erster Kutterplatz auch gewürdigt werden.
Die Rückfahrt war anfangs unspektakulär. Sie begann mit dem Disput, ob es lohnt, bis zum Überleiter noch mal den Spinnaker zu setzen. Die mittagsmüde Unentschlossenheit wurde kurzerhand autoritär beendet - also setzen. Aus heutiger Sicht ein gewagter Entschluss, denn das Team um Mario, Hella und Norbert testete erstmal die bestehenden Variationen, Schoten und Fallen von Fock und Spinnaker miteinander zu verweben, wobei es für das Anschlagen des Spinnaker auch noch Deutungsmöglichkeiten zu Steuerboard und Backbord gab und dies alles bei auffrischendem Wind. Jedenfalls könnte ich heute nicht diesen Bericht schreiben, wenn es nicht doch noch ein gutes Ende gefunden hätte.
Also nahmen wir mit achterlichem, auffrischendem Wind Fahrt auf. Beim Schwenk in Richtung Senftenberg wurde dann der Spinnaker wieder verstaut und wir nahmen Kurs in Richtung Stadthafen auf. Der Wind frischte weiter auf, eine 4 mit Böen 5 und leichten Schaumkronen. Mit Ausnahme des Ixy-Klassen-Gewinners (der ohne Fock dicht unter Land segelte) waren wir plötzlich von ein paar Motorbooten abgesehen ziemlich einsam auf dem Wasser. Mit leichten Gischt-Spritzern über die Bordwand konnten nun auch alle Crewmitglieder wieder zur aktiven Mitarbeit animiert werden, Trimmen war für alle angesagt und nur Norbert wagte sich todesmutig jeweils nach den Wenden noch kurzzeitig in Lee, um das Dichtholen der Genua zu unterstützen. Es war ein echter Wellenritt – nur die Naturgewalten und wir. Und dann beim Höhepunkt – ein jeder sollte es kennen - rauschte die Reileine des Besan an der Gaffel aus! Unfassbar! Sie wurde provisorisch fixiert und mit einem noch mehr "schlabberndem" Besan konnten wir den Törn - nun schon in Sichtweite des Hafens - zu Ende bringen. Anlegen, Abtakeln, Material verstauen - alles professionell, schnell und heiter gestimmt.
Es war eine schöne Regatta, ein toller Törn, eine Super-Crew und die Natur zeigte, dass 1,5t Kutter inkl. Lebendmasse ganz locker über den See zu bringen sind. Und nicht vergessen: Wir waren die beste Kutter-Crew am Start!
Ahoi - Torsten
Galerie: Traditionsregatta
Traditionsregatta (Segeln) auf dem Senftenberger See.